Alltag im Basecamp

Das dreistöckige Haus inklusive Dachterrasse ist wie ein Bienenstock. In jeder Wabe wohnen ein bis fünf Personen. PatientInnen leben auf großzügigerem Raum, das Personal dicht gedrängt. Wer hier arbeitet fährt bloß einmal die Woche nach Hause. Wenn überhaupt. 

Im großen Mittelgang aller Etagen ist eine große, teichförmige Öffnung nach unten, die direkt in einen Fischteich im Erdgeschoss mündet. So können Menschen durch lautes Rufen einfach und schnell gefunden und brisante Themen über die Stockwerke hinweg unkompliziert besprochen werden. 

Der sensationelle Ausblick von den öffentlichen Terrassen in den einzelnen Stockwerken auf Backwaters und aktive Vogelwelt lädt PatientInnen wie Personal immer wieder zu geselligen Plaudereien ein. Freundlicher und offener Austausch ist immer irgendwo möglich. Im eigenen Zimmer ist Raum für Stille. Entfaltung, Entspannung, Muse. 

 

Menschen

Die internationalen Ayurveda-StudentInnen sind tagsüber mit ihren Kursen beschäftigt und freuen sich über Ablenkung in den Pausen. Übers Wochenende wird der Lust am Erleben, Sightseeing, Bummeln, Streunen und Feiern nachgegeben. 

Das Treatment-Klientel trifft sich on and off treatments, mit gelben Nasen, öligen Körpern, müde, nach einem Schäferschläfchen. Mit gegenseitiger Aufmunterung zum Durchhalten, Erfolgserlebnissen, ayurvedischen Schauergeschichten und Tipps für noch mehr Schönheit. (wenn das überhaupt möglich ist). 

Und alle gemeinsam verbringen die Zeit zwischen acht und zehn Uhr vormittags beim gemeinsamen Atmen und YogaPraktizieren auf der immer heißer werdenden Dachterrasse. 

 

Bücherwurm

Die ¨Bibliothek¨ - ein alter Kasten voller ebenso alter bis neuwertiger, jedoch durch und durch gut gelesener Bücher - beinhaltet ein kurioses Sammelsurium an Fachliteratur und Romanen. Neben Indienreiseführern und yoga- wie ayurvedaspezifischen Büchern findet man dort einen vielsagenden und beinahe chronologischen Fundus an bekannten Lebensratgebern, esoterischen Bestsellern und Sachbüchern zu regionsspezifischen Themen. Botschaften, die Reisende auf diese Weise mit anderen Reisenden teilen wollten. Was in Anbetracht der vielen vergilbten Seiten dankend angenommen wird. 

 

Ayurvedische Mahlzeiten

Essen wird dreimal täglich aufs Zimmer geliefert. Man isst entweder dort in Achtsamkeit oder sucht sich Gesellschaft irgendwo im Bienenstock. Es gibt Gekochtes (abgesehen von ein wenig frischem Obst) und ein Menü pro Mahlzeit. Meistens besteht es aus einem Bohnen- oder Linsen- oder Kichererbsengemüseeintopf mit Beilagen, oft gewürzter Reis oder Reisfladen in verschiedenen Formationen. 

Die Gewürze und Zutaten werden so ausgewählt, dass sie alle drei Doshas in Balance bringen oder halten, können also von allen PatientInnen, die gerade essen dürfen, gegessen werden. 

Die verwendeten Gewürze sind alle hier heimisch, kein Wunder, Kerala ist nicht nur ¨God`s own country¨, die indische Provinz des Lächelns, der Meinungsfreiheit, Wohlstand und Toleranz, die Wiege von Ayurveda und Yoga und somit die Provinz der Heilkunst und Philosophie. Kerala ist auch der grüne Gewürzgarten Indiens. Kurkuma, Ingwer, eine Art Lorbeerblatt, Kardamom, Pfeffer, Chilli, Zimt, Curryblätter, Sternanis oder Senfkörner, manchmal auch indische Gewürzmischungen wie Garam Masala sind in dem Tridosha Essen haufenweise auffindbar. Darin vermischt immer große Mengen von geriebenem, geraspeltem oder flüssigem Kokosnussfleisch 

 

Aktivitäten

In gemeinsamen oder einsamen freien Zeiten lädt das Umfeld zu verschiedenen ¨Themenwanderungen¨ ein. Wer sich für das Themengebiet ¨laut¨ oder ¨Lärm¨ entscheidet, geht runter zur Straße, wo bereits viele Gespräche zu führen sind und Gruppenbilder mit Stranger auf den Handys der Nachbarn gemacht werden. Der Straße entlang kann man den Verkehr beobachten, was durchaus als eine der Hauptattraktionen zu bewerten ist, solange man vor lauter Faszination nicht vergisst, sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. 

Wer's ruhiger haben will sucht den Weg durch das Dorf, direkt durch die backwaters. Faszinierende Vogelwelt, üppiggrüne, ausladende Bäume, Palmen, Bananen noch und nöcher. Hennen, Ziegen, Kühe, räudige Katzen und ebensolche Hunde. Ganze Schulklassen kommen in ihren Uniformen auf den Schulhof gerannt, um den Foreigners laut rufend zu winken. Frauen ziehen Wasser aus den Brunnen, waschen Wäsche. Überall freundliche, offene Gesichter und überall werden herzliche Lächeln ausgetauscht. 

Eine sehr beliebte ¨Themenwanderung¨, weil gruppenidentitätsstiftend, ist die Suche nach dem geheimnisvollen Tempel, der laut google earth irgendwo auf der gegenüberliegenen Seite des Flusses zu finden sein sollte. Von dem allmorgendlich und -abendlich laute Musik zu hören ist, den aber kein foreigner jemals zu Gesicht bekommen hat .... 

 

Rauchnacht

Abends, wenn die Moskitos scharenweise einfallen, wird Glut in eine an einem langen Stab hängende Schüssel gegeben und mit kleinen Antimückenkügelchen versetzt. Hinter jedem Vorhang, unter jedem Bett wird ordentlich ausgeräuchert und der angenehme Geruch läutet die ruhige, lauschige Zeit des Tages ein. 

Für die Tiere ist es die Zeit des Tages, in der sie nochmal so richtig in ihr Element gehen um ohrenbetäubendes Surren, Zwitschern, Kreischen, Krähen, Zirpen, Heulen in die Abendluft zu posaunen. 

 

Mein Körper ist frisch abgerieben und eingeölt, das Essen wurde soeben aufs Zimmer gebracht, es ist unfassbar heiß, sogar die Tiere unterliegen der Macht der Sonne. Mittag im Basecamp

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Kommentare: 2
  • #1

    Cornelia (Donnerstag, 11 Februar 2016)

    Es wäre schön, so viel Zeit für Sorgfalt im Alltag zu haben...

  • #2

    Julia Wibmer (Mittwoch, 17 Februar 2016 23:39)

    Eine schöne Beschreibung der Kur/Reise/Stimmung! Zumindest bei den Mahlzeiten wär ich auch gern dabei gewesen ;-)